Mia kehrt nach Solkrogen zurück

In  Solkrogen 4 – Ein Jahr auf der Insel kehrt Mia nach vielen Jahren wieder nach Solkrogen zurück. In diesem Buch erfährt man, was aus den 3 Kindern aus Solkrogen geworden ist. Während Tououse und Oliver Solkrogen eigentlich nie so richtig verlassen haben, ist Mia um die ganze Welt gereist und hat ein sehr extremes Schicksal. Und natürlich ist sie so ganz anders als ihre Mutter Katharina!

Und nun, nach Jahren der Trennung, in denen Mia teils nicht zurückkehren konnte und teils sich aber auch nicht traute, trifft die ganze Familie zu Weihnachten im Hafen von Solkrogen wieder aufeinander und der Schock ist natürlich gross, weil erstens keiner mehr damit gerechnet hat, dass Mia noch lebt und zweitens befindet sie sich in einem solchen Zustand, dass es allen mehr oder weniger die Sprache verschlägt.

Solkrogen 4 - Ein Jahr auf der Insel

Solkrogen, Freitag, 29. Dezember 2012

I’m back! I finally did it, made contact and am just so unbelievably glad I did!

Ich weiß nicht, was mich dazu brachte, ausgerechnet am Morgen des 24. loszufahren. Vielleicht dachte ich, dass man mir zu Weihnachten am ehesten verzeihen würde? Ich weiß es nicht. Mehrmals war ich dabei gewesen, trotzdem umzukehren. Doch letztendlich war mir das ewige „hin und her“ und die innerliche Zerrissenheit einfach so zu viel geworden, dass ich es nur noch überstanden haben wollte.

Als ich am frühen Nachmittag in Solkrogen ankam, war es schon dabei gewesen, dunkel zu werden. Natürlich konnte ich mich nicht gleich aufraffen, auszusteigen und an die Haustür zu klopfen.

Also nahm ich einen Schluck oder zwei – wohl um mir Mut anzutrinken oder auch nur, um mich aufzuwärmen… und bevor ich mich versah, war ich auch schon eingeschlafen. Sie fanden mich dann am nächsten Morgen, als eines von Olivers Pflegekindern mit dem Hund spazieren ging.

Oje! Und ich hatte gedacht, dass die Geiselnahme und alles, was ihr gefolgt war, nun wirklich DER Tiefpunkt meines Lebens gewesen waren und dass ich wohl kaum noch tiefer sinken konnte. Doch das hier übertraf mal wieder alles! Dass die Kinder meines Bruders ihre längst verschollen geglaubte Tante beduselt im Auto schlafen fanden, war nun wirklich die Krönung jeglicher Endwürdigungen!

Doch überraschenderweise machte mir keiner Vorwürfe. Sie waren einfach nur lieb und nahmen mich in den Arm. Es glotzte sich auch keiner die Augen aus dem Kopf, oder wenn sie es taten, war ich zumindest noch zu benebelt gewesen, um es mitzukriegen. Mama war auch da – und Jonathan. Nur Toulouse sollte erst am nächsten Tag eintrudeln.

Ich weiß nicht, wer einen größeren Schreck bekam – ich, als ich sah, wie grau Mamas Haupt inzwischen geworden war und wie klein und zerbrechlich sie wirkte… oder sie, als ihr klar wurde, dass ihre einst so makellos aussehende Tochter tolpatschig genug gewesen war, während der Flucht auf eine Landmine zu treten!

Doch wir sagten beide nichts. Nahmen uns nur in die Arme und weinten. Ich wusste gar nicht, dass der menschliche Körper so viel Tränenflüssigkeit besaß! Irgendwann hatten wir dann wirklich keine Tränen mehr und dann wollten sie natürlich wissen, was in aller Welt nur geschehen war.

Klein-Toulouse, der ja schon immer der Retter in der Not gewesen war, wenn es darum ging, irgendwo hereinzuplatzen, um allen aus der Verlegenheit zu helfen…, tat glücklicherweise genau das und kam unangemeldet einen Tag früher nachhause. Er war wohl vorzeitig mit seiner Arbeit fertig geworden und wollte nun alle überraschen und genau das tat er dann auch wirklich! Glücklicherweise wurde so die Aufmerksamkeit weg von meiner Wenigkeit gelenkt und eine nur all zu peinliche Beichte war mir vorerst noch erspart geblieben.

Nun wurde lauthals verkündet, dass jetzt noch einmal Weihnachten gefeiert werden würde und schon war Sophie-Louise mit der Hälfte ihrer Kinderschar in der Küche verschwunden, um gleich wieder loszubrutzeln.

Mama wich überhaupt nicht mehr von meiner Seite und wollte mich am Liebsten gar nicht mehr loslassen. Glücklicherweise gelang es Jonathan, ihr klarzumachen, dass selbst wenn ich sofort wieder aufbrechen wollte, ich wohl kaum dazu in der Lage wäre und schließlich gelang es selbst ihr, das Ganze etwas entspannter anzugehen.

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Mein erstes warmes Mahl im Kreise der Familie – noch schöner und gemütlicher, als ich es mir während der langen Tage und Nächte in der Gefangenschaft vorgestellt hatte!

Es war auch nicht nur, dass Sophie-Louise eine gute Köchin war… noch viel wundervoller war es, all diese Wärme und Geborgenheit wieder um mich zu haben und zu wissen, dass ich hier vorerst einmal in Sicherheit war.

Wenn ich bedenke, dass ich es damals noch nicht einmal geschafft hatte, zu ihrer Hochzeit zu kommen…

Doch ein großes Geschenk hatte ich geschickt! Genügend Geld hatte ich damals während meiner kurzen, aber intensiven Fotomodelkarriere ja gehabt. Das war gerade zu dem Zeitpunkt gewesen, als Hollywood gelockt hatte.

Doch Jens-Ulrik hatte gaaanz andere Pläne mit mir gehabt! Ich sollte ja nicht zu oberflächlich werden und wollte ich nicht etwas tun, das wirklich zählte und tatsächlich die Welt veränderte? Nun ja… meine Eltern und alle ihre Freunde waren mir auch immer diesem Moral-Gedusel gekommen. Thus it was definitely a familiar tune that he was whistling! Daher war ich auch gewillt gewesen, mir all das zu Herzen zu nehmen…

Nur hatten meine Eltern es uns nie auf die versteckte Art reingerieben. Das war der große Unterschied! Es war mehr oder weniger immer nur so gewesen, dass sie sich selbst damit gepiesackt hatten und wir anderen alle mitansehen mussten, wie sie alles für ihre Überzeugung opferten.

Jens-Ulrik hingegen war ein wahrer Meister der emotionalen Erpressung. Ach, was heißt hier „war“! Er ist es immer noch. Doch ein bisschen Schuld hatte ich wohl auch. Während er lediglich dabei gewesen war, uns alle auszuspionieren und dann geistig einzuordnen – damit er wusste, wo er uns hatte, wenn er uns mal brauchen sollte, war ich voll und ganz auf sein angebliches Interesse an meiner Person hereingefallen. Plötzlich war da so ein väterlicher Typ, der sich wirklich für mich interessierte, während ich meinem eigenen Vater bestenfalls völlig egal war. Das gab mir das Gefühl, beachtet, ernst genommen und verstanden zu werden. Und wenn das von einem Mann von Welt kam, wie Jens-Ulrik Sørensen es war, der überall auf der Welt zuhause und über alles bestens unterrichtet war, dann machte so etwas natürlich einen großen Eindruck auf so ein junges Mädchen vom Lande, wie ich es damals gewesen war.

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Nach dem üppigen „Julefrokost“-Buffet saßen wir Erwachsenen noch ein wenig zusammen. Ich konnte es kaum glauben, wenn ich mich so in der guten Stube umsah; Oliver und Sophie-Louise hatten doch tatsächlich alles so gelassen, wie sie es von unseren Eltern übernommen hatten! Das lag zum einen sicher daran, dass sie genauso alternativ eingestellt waren, doch zum anderen war Sophie-Louise eben nicht so ein künstlerischer Typ wie meine Mutter und war daher wohl froh, dass schon was an den Wänden hing und dass die Gardinen zu allem passten. Das große Dekorieren und Einrichten war nicht ihr Ding und so hatten sie bis jetzt auch nur eine einzige Sache verändert und zwar den Hühnerstall in ein weiteres Zuhause umgewandelt.

Mir verschlug es fast die Sprache, als ich sah, wie groß und hell es jetzt in dem einstigen kleinen, dunklen Gebäude war. Von dem ursprünglichen Stall war eigentlich gar nichts mehr übrig. Selbst das Fundament war erneuert worden.

Doch selbstgemacht hatten sie gar nichts. Das Projekt war vom Vater Staat vorgeschlagen und bezahlt worden und somit hatten sie einfach eine Firma aus dem Nachbarort beauftragt, die das Haus mehr oder weniger schlüsselfertig abgeliefert hatte.

Das Ganze war natürlich kein Weihnachtsgeschenk vom Fiskus gewesen, sondern eher eine Bedingung, um die vielen Pflegekinder unterbringen zu können. Eigentlich hatten sie ja nur ein eigenes Kind gehabt, doch dann war im Dorf eine alleinstehende Mutter gestorben. In ihrem Testament hatte sie verfügt, dass ihre fünf Kinder zusammenbleiben sollten und da gab es nun mal keine Pflegeeltern die gleich fünf kleine Kinder zu sich nehmen wollten und natürlich war es auch unmöglich, jemanden zu finden, der gleich fünf Waisen adoptieren wollte.

Also wurden sie zunächst bei Oliver untergebracht. Louise hängte ihren Kindergarten-Job an den Nagel, um sich auch wirklich um die Kinder kümmern zu können, denn sie waren natürlich völlig verschreckt gewesen und trauerten noch alle um ihre Mutter.

Als sie dann selber abermals schwanger wurde, kam der große Schock: Drillinge! Und dann war das Haus wirklich voll und von staatlicher Seite bestand man nun darauf, dass entweder der Wohnraum erweitert wurde, oder man die Kinder wieder zurückgeben musste. Natürlich entschied man sich für das Erste und so war dann auch noch Platz für das neuste Mitglied der Familie: einem weiteren Oliver, der in der Nachbarschaft in Ungnade gefallen war und so ebenfalls ein neues Zuhause suchte.

Nachdem ich in alle Details eingeweiht worden war, kam dann auch schon die Kinderschar an und bettelte um die Stockings. Das gab es doch nicht! Oliver hatte wirklich unsere Weihnachtsstrumpf-Tradition beibehalten? „Ja, warum denn nicht?“, lächelte Sophie-Louise und meinte vergnügt, dass man Weihnachten ja schließlich nicht zu oft feiern könnte.

Ich schluckte.

Ich hatte schon seit sechs Jahren nicht mehr richtig Weihnachten gefeiert und zum letzten Weihnachtsfest gab es wohl Mäuse-Schaschlik, wenn ich mich recht erinnerte… Doch das war immerhin besser gewesen, als gar nichts zu kriegen oder alternativ den Kopf abgeschlagen zu bekommen!

Ich schloss für einen Moment die Augen und versuchte, die unangenehmen Erinnerungen abzuschütteln.

Ich musste mir jetzt um Himmelswillen nichts anmerken lassen, sonst würde das sofort die feierliche Stimmung verderben und sie würden mich mit Fragen überhäufen, oder noch schlimmer: mich total besorgt zu Tode bemuttern und bemitleiden. Das war etwas, was ich um jeden Preis vermeiden wollte.

Keiner fragte, ob ich übernachten wollte. Sophie-Louise kam einfach am frühen Abend zu mir und sagte, sie hätte mein altes Zimmer für mich hergerichtet und ich könnte, wann immer ich wollte, auch ein heißes Bad nehmen. Wieder einer dieser Momente, an dem ich kein Wort über die Lippen brachte und sie nur schweigend an mich drückte.

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Das war jetzt das erste Mal, dass ich wieder in einem weichen Bett schlief – mit reiner, weißer, angenehm duftender Bettwäsche. Kinda felt like I had died and gone to Heaven!

Am nächsten Morgen wurde ich durch fröhliches Kindergeflüster geweckt, als sie sich in mein Zimmer schlichen, um ihre Sachen aus den Schubladen zu fischen.

So, das waren also die jungen Mädchen, die normalerweise mein Zimmer bewohnten! Es dauerte eine Weile bis ich ganz „da“ war. Als ich mich endlich aufgesetzt hatte und im Begriff war, meinen Morgenrock anzuziehen, wurde abermals die Tür aufgestoßen und zu mir auf die Bettkante gesellten sich nun drei kleine Jungs.

Rasmus sagt, du hast einen Piraten in die Flucht geschlagen. Ist das wahr?“ fragte der eine kleine Knirps, während ein weiterer sich anschickte, auf meinem Schoß herumzuturnen, um die Narben in meinem Gesicht zu begrapschen. In diesem Augenblick ging glücklicherweise Oliver am Zimmer vorbei. Sanft entfernte er die kleinen Rabauken aus meinem Bett und schickte sie zum Frühstück in die Küche.

Talk about a rescue in the nick of time!

Er schickte sich an, eine Entschuldigung zu formulieren doch ich währte ab. So sind Kinder nun mal. Sie sagen ja sowieso nur, was wir Erwachsenen auch denken. Wir trauen uns lediglich nicht, es offen auszusprechen.

Natürlich wollten alle wissen, was geschehen war. Das konnte ich sehr gut verstehen. Ich war nur noch nicht in der Lage, darüber zu reden.

Oliver merkte das und lenkte das Gespräch verlegen auf meinen neuen Wohnsitz und auf die Insel, von der er zwar schon so einiges gehört, aber auf der er noch nie gewesen war.

Später kam der kleine Schoß-Artist wieder zu mir, diesmal mit einem Geschenk. Gerührt packte ich es aus. Er hatte mir doch tatsächlich seinen Teddy geschenkt, so zu sagen als Wiedergutmachung, weil Oliver ihm wohl ins Gewissen geredet hatte.

Dann setzte er sich abermals auf meinen Schoß und fragte:

Hast du auch was für mich?“

Ich musste lachen.

Na… nicht ganz. Aber ich habe etwas für Euch alle.“

Er folgte mir zum Auto, wo ich etliche Kisten mit Äpfeln entlud und noch eine weitere mit eingeweckten Brombeeren und verschiedenen Marmeladen. Ich hatte mir gedacht, dass man so etwas in einer so großen Familie vielleicht am ehesten gebrauchen konnte.

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Sophie-Louise wusste auch gleich, wie sie es verwenden wollte und servierte uns dieses Dessert zum Nachtisch:

Selbstgebackener Christmas Cake mit Orangenguss, Flakes (Börke-Schokolade), Ananas, Sahne und Brombeerkompott. Es schmeckte einfach himmlisch!

Christmas Cake with Banana

Folgende Zutaten vermischen: 500 g weiche Butter, 10 Eier, 500 g Quark, 2 kg Zucker, 4 Tütchen Backpulver, 2 Tütchen Vanillezucker, 1 TL Zimt, 1 Tüte Pfefferkuchengewürz (z.B. von Staerz, 20 g), 4 geriebene Möhren, 1 geriebenen Apfel, 250 g Grieß, 2 kg Rosinen und/oder Sultaninen, die abgeriebene Schale einer ökologischen Zitrone, ½ Glas Whiskey, 1 Glas Pflaumenmus (oder Apfelkraut) und so viel Mehl (500 g?), dass alles gut zusammenhält. 5 Bananen in Scheiben schneiden und untergeben.

Teig auf 2 großen Backblechen oder in 3-4 Kuchenformen verteilen. Mit Backpapier zugedeckt bei 200 Grad ca. 1½ Stunden backen.

Eignet sich gut zum Einfrieren. Auf diese Art hat man während der ganzen Weihnachtszeit genügend Kuchen

Und so vergingen die Tage – mit gutem Essen, schönen Kindheitserinnerungen und gemütlicher Geselligkeit im Schoße der Familie. Neulich war ich auch mal wieder draußen. Wir gingen ein wenig in der Nachbarschaft spazieren und sie zeigten mir, was es alles Neues gab und wer wo ein- oder ausgezogen war. Es war fast wie in alten Zeiten.

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