Das folgende Kapitel stammt aus dem 7. Solkrogen-Roman und beschreibt die Trauung des kleinen Bruders Toulouse in der Schlosskirche von Fredensborg:
Der große Tag
Und dann war auch schon der große Tag gekommen.
Else Marie (Anjas Mutter) hatte darauf bestanden, zumindest einen Teil der Hochzeit bei ihr zuhause zu feiern. Anscheinend hatte sie sich schon das ganze Leben darauf gefreut gehabt, ihrer einzigen Tochter die Hochzeit auszurichten. Also ließen wir sie gewähren. Anja und Toulouse war das Ganze ja sowieso egal. Sie hatten nur Augen für einander und für sie war die Hauptsache, dass alle anderen glücklich und zufrieden waren und miteinander auskamen.
Das einzige Problem war nur, dass Anjas Eltern in Fredensborg wohnten und wir, gute drei Stunden entfernt, im Süden des Landes residierten. Also war nichts mit Heiraten auf Fejø.
Anja und Toulouse hatten mit dem Pfarrer in der Fredensborg-Humlebæk-Gemeinde gesprochen und ihn gebeten, die Trauung so früh wie möglich zu vollziehen. Glücklicherweise hatte dieser nichts dagegen und so kam es, dass wir uns alle schon um acht Uhr morgens im Hof der Schlosskirche von Fredensborg versammelten, um die beiden bei der Eheschließung zu begleiten.
Die Sache ist nämlich so… wenn man einen Wohnsitz in Fredensborg hat, steht einem die Möglichkeit offen, die Königin darum zu bitten, in ihrer privaten Kirche zu heiraten. Da dies Anjas Mutter sehr wichtig war und da Anja ja immer noch dort gemeldet war, hatten sie es ihr zu Liebe getan und auch relativ schnell die Genehmigung vom Hofmarskallatet erhalten.
Und so standen wir nun also draußen vor der Schlosskirche und trauten uns gar nicht so recht hinein. Autos durften dort natürlich nicht geparkt werden, sondern alle wurden vorgefahren und abgesetzt.
Jetzt kamen auch schon die beiden Kirchendiener, um uns hineinzuführen.
Wir hatten die letzten beiden Nächte bei Ture übernachtet, da er ja auch in Nordseeland wohnte und somit brauchten wir wenigsten nicht mitten in der Nacht aufzustehen, um früh hier sein zu können.
Anja war in der Zwischenzeit natürlich bei ihren Eltern geblieben. Es waren ja auch die letzten Tage, die Mutter und Tochter zusammen verbringen würden und somit tat sie ihrer Mutter den Gefallen, obwohl sie eigentlich auch lieber mit Toulouse zusammen bei Ture gewesen wäre.
Diese Tage bei ihm sollten sich überraschend gemütlich gestalten.
Eigentlich hatte ich ihn ja nach Rahuls Selbstmordversuch weitgehend abgeschrieben gehabt, denn ich hatte ihm wohl mehr Schuld in die Schuhe geschoben gehabt, als er verdient hatte. Jetzt bekam ich freudigerweise eine Seite von ihm und Daliah zu sehen, die mich sehr positiv beeindruckte.
Nicht nur hatten sie für unsere ganze Sippe Platz gemacht, bewirteten und unterhielten uns, sie kümmerten sich auch genauso liebevoll um Béa und Pierre.
Das war sowieso alles etwas undurchsichtig für mich gewesen. Hätte ich nicht so viel mit meiner eigenen kleinen Familie zu tun gehabt, hätte ich mich sicher gewundert, warum sie nicht beide bei mir geblieben waren. Ganz besonders, da Béatrice doch meine Chefin war… Also ich hatte eigentlich erwartet gehabt, dass sie die Möglichkeit wahrnehmen würde, einiges an geschäftlichen Dingen mit mir zu besprechen. Jedoch nichts dergleichen geschah, obgleich sie und Pierre reichlich früh aus Kanada angereist waren.
Noch merkwürdiger kam mir vor, dass Pierre dann recht bald zu uns kam, während Béa bei Mama in Solkrogen blieb.
Aber wie gesagt, ich hatte zu viel mit meiner eigenen Situation zu tun, um mir ernsthaft den Kopf darüber zu zerbrechen und außerdem hatten Pierre, Rahul und Yves ein paar gemeinsame Projekte, die sie für die Hochzeit durchführen wollten. Also stellte ich keine Fragen, sondern kümmerte mich lediglich um meine eigenen Aufgaben und die Kinder.
Dann, am Morgen des großen Tages, war alles noch viel hektischer zugegangen, als ich erwartet hatte. Wir hatten die letzte Nacht bei Ture und Daliah noch so richtig gemütlich zusammengesessen, bei Kerzenlicht und mit Käse und Wein, und hatten uns lange unterhalten. – Viel zu lange, wie mir nun schien, denn es fiel keinem von uns leicht, aus dem Bett zu kommen.
Ich machte schnell die Kinder fertig, da Myriam und Klein-Oliver die Ehre zugefallen war, den Schleier zu tragen und somit mussten sie natürlich besonders hübsch zurechtgemacht werden. Anjas Mutter hatte Klein-Oliver einen richtigen Anzug genäht, in dem er wie ein kleiner Gentleman aussah. Myriam trug ein langes weißes Spitzenkleidchen, dass dem Brautkleid sehr ähnelte. Sie fühlte sich wie eine richtige kleine Prinzessin und hatte vor Freude fast einen Luftsprung gemacht, als sie erfuhr, dass sie das Kleid hinterher behalten durfte.
Nachdem ich ihr Haar hochgesteckt und sie ein klein wenig geschminkt hatte, machte ich mich dann selber zurecht. Anja hatte sowohl Sophie-Louise, als auch mich gebeten, „Bridesmaids“ zu sein. Außer uns hatte sie noch zwei andere Brautjungfern ausgewählt. Das waren zwei Mädchen, mit denen sie früher zusammen in die Schule gegangen war.
Auch hier hatte ihre Mutter sich die Mühe gemacht, für uns alle romantische Abendkleider zu nähen. Nur die Farbe war nicht so ganz mein Ding: braun für die Damen und taubenblaue Anzüge für die Männer. Alles in allem sahen die Roben aber dennoch sehr schick aus, denn sie waren aus seidenem Satin angefertigt und hatten, genauso, wie Anjas Brautkleid, ein „Überkleid“ aus kostbaren Seidenspitzen.
Der Stoff muss sie ein Vermögen gekostet haben und wir sahen alle aus, als würden wir in einem uralten Film mitwirken.
Was mich überraschte, war die Kirche. Obwohl ich das Schloss schon von innen kannte, war ich vorher noch nie in der Kirche gewesen. Es verblüffte mich, wie einfach sie ausgestattet war. Das war auch ganz anders, als in einer normalen Kirche zu sein. Es fühlte sich eher wie ein privates Zuhause an. Sehr privat sogar.
Und dann war sie endlich da! Nachdem Toulouse sich schon nervös die Beine in den Bauch gestanden hatte, fuhr nun endlich die Kutsche mit der Braut in den Schlosshof hinein.
Aber keiner ließ den armen Toulouse hinaus in den Hof, damit er seine Braut sehen konnte. Nein, er musste brav drinnen warten. Es war lediglich ein Flüstern und Raunen, das durch die Reihen huschte, dass sie nun endlich angekommen sei und wie doch alles fast wie im Märchen war.
Mama half den Kleinen mit dem Schleier und ermahnte sie immer wieder, dass sie ihn ja nicht von Anjas Kopf reißen sollten und auch nicht drauf treten durften. „Runterfallen lassen“ war auch nicht drin. Ich schaute aus der Ferne zu ihnen hinüber. Ob sie sich das wohl alles würden merken können? Das war ganz schön viel für solch kleine Würmchen. Doch gewissenhaft trugen sie den Schleier, als würde ihr Leben davon abhängen.
Langsam schritt nun die Braut durch die Tür und ich dachte, Toulouse würde uns aus den Socken kippen, als er sie erspähte. Er war so gerührt, dass er sich eine Träne wegwischen musste. Natürlich war Mama auch ganz in Tränen aufgelöst. Sie war ja schon immer dicht am Wasser gebaut gewesen und hatte noch dazu ein gehöriges Flair für Drama. Also war sie ganz in ihrem Element, als ihr Nesthäkchen jetzt dabei war, sein Jawort zu geben.
Der Altar war übrigens auch sehr interessant. Wie mir schien, enthielt er das königliche Wappen und ich konnte mich noch dran erinnern, dass uns jemand einmal erzählt hatte, dass die Königin, ihre Schwestern und ihre Mutter verschiedene Gewänder bestickt hatten, die der Pfarrer zu tragen pflegte. Vielleicht hatten sie dieses Wappen ja auch angefertigt? Es schien jedenfalls feinste Handarbeit zu sein.
Mir fiel auch auf, dass der Schachbrett-Fußboden vor dem Altar so ähnlich zu sein schien, wie im Kuppelsaal des Schlosses. Ob das wohl beabsichtigt oder gar reiner Zufall war?
Es wurden verschiedene Lieder gesungen und die Trauung dauerte eigentlich gar nicht so lange. Schon recht bald knieten sie beide, um den Segen zu erhalten, nachdem sie einander das Jawort gegeben und die Ringe angesteckt hatten.
Noch einmal erklangen die Pfeifen der großen Orgel, diesmal, um sie auf ihrem Weg hinaus zu begleiten.
Draußen im Schlosshof war jetzt wieder der Kutscher vorgefahren. Als Anja und Toulouse aus der Kirche traten, wurden sie mit Reis beworfen. Wir posierten alle noch für Hochzeitsfotos, bevor sie in die Kutsche stiegen, um sich auf in Richtung Anjas Eltern zu machen.
Es war gut, dass sie in einer Kutsche fuhren, denn es dauerte ein gutes Weilchen, bis wir anderen unsere Autos wiedergefunden hatten.
Fast im Schritttempo fuhr die lange Karawane schließlich die drei Kilometer bis zu Anjas Kindheitsheim.
Wir hatten anscheinend eine Menge Aufsehen erregt, denn überall winkten die Leute. Es geschah eben nicht all zu oft, dass jemand in einer Kutsche durch Fredensborg fuhr, selbst wenn die Königin im Sommer hier zu leben pflegte.
Quelle: Solkrogen 7 – Eine Hochzeit in Dänemark
Externe Links zu den erwähnten Orten kann man hier finden:
Fredensborg
de.wikipedia.org/wiki/Fredensborg_Kommune
www.visitnordseeland.de/de/nordseeland/fredensborg
www.bad-berleburg.de/index.phtml?sNavID=1746.268
en.wikipedia.org/wiki/Fredensborg
Humlebæk
www.visitnordseeland.de/de/nordseeland/humlebaek
de.wikipedia.org/wiki/Landung_bei_Humlebæk
Lousiana
www.focus.de/reisen/daenemark/tid-5852/kulturtipp-kopenhagen_aid_57695.html
de.wikipedia.org/wiki/Louisiana_Museum_of_Modern_Art
Fredensborg Schloss
www.fredensborg-ring.de/schloss-fredensborg.php
www.visitnordseeland.de/de/denmark/fredensborg-schloss-gdk620835
kongehuset.dk/english/palaces/fredensborg-palace/fredensborg-palace