Elterlichen Narzissmus verstehen: Wie Leid vererbt wird

pregnant woman standing near white brown bassinet

Da narzisstische Gewalt der Eltern in der Regel zu co-abhängigen Kinder führt oder gar dazu, dass diese gar selbst eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickeln, reden manche (wie beispielsweise Ava Wagner) sogar von einem „narzisstischen Familienstammbaum“, da verbale und nonverbale Gewalt weitergereicht wird. Somit werden auch angeeignete Verhaltensmuster „vererbt“, da diese über Jahre hinweg unter traumatischen Bedingungen erworben wurden. Viele Kinder narzisstischer Eltern sind sich auch gar nicht bewusst, welches Erbe sie in sich tragen und auf welche Art dies weitergereicht wird.

Da aber kaum ein Kind, dass tatsächlich den Launen und Schikanen eines narzisstischen Elternteils ausgesetzt ist, über den Überblick und das Wissen verfügen wird, zu durchschauen, was in seiner Familie abläuft, leiden solche Kinder nicht nur ein Leben lang, ohne dass jemand je ahnt, was ihnen angetan wurde, sie fügen sich auch den ungeschriebenen Familienregeln, was sich auf die eine oder andere Art dann auch wieder auf die nächsten Generationen auswirken wird.

Immenser Druck

Es ist nicht schwer zu erraten, welch ein Druck und welche Boshaftigkeit hinter solchen Regeln stecken, die zwar nie so direkt ausgesprochen werden, doch mit ihren subtilen Kontrollmechanismen sorgen narzisstische Eltern ganz gezielt dafür, dass ihre Kinder in einem Gefängnis unausgesprochener Regeln, Erwartungen und von ihnen definierten „Wahrheiten“ verharren.

Das ist eine ganz fiese und extrem gefährlich Art, jemanden zu unterdrücken, denn beweisen kann man so gut wie nie etwas. Dieses Gefängnis ergibt sich lediglich aus dem Zusammenspiel vieler kleiner subtiler Bemerkungen und verdeckter Machenschaften, wie beispielsweise einer systematischen Entwertung und Endwürdigung des Kindes, die oft nur als witzige Bemerkung an den Mann gebracht wird oder sich als Konsequenz ergibt.

Ausgetrickst

Wichtig ist hierbei, dass das Opfer versteht, dass es systematisch schikaniert und reingelegt wurde. Das ist nichts, wogegen man sich als Kind schützen kann. Aber selbst wenn man als Erwachsener den Überblick hat und versteht, wie verwerflich das subtile Vorgehen des Narzissten wirklich ist, bleibt es schwer, sich vor so etwas zu schützen, da diese Menschen einfach so falsch und so hinterhältig sind, dass sie mehr oder weniger jeden reinlegen.

Auswirkungen auf die nächsten Generationen

Kinder, die unter solch einer grausamen Art der verdeckten Misshandlung leiden, tragen die Wunden und die emotionale Ladung in sich, die sie nie bearbeiten konnten.

Mit emotionaler Ladung meine ich hier nicht nur die emotionalen Altlasten (oder den emotionalen Rucksack), den man mit sich herumträgt, sondern tatsächlich auch die elektrische Spannung, die sich aufgrund der unverarbeiteten traumatischen Erfahrungen im Körper befindet.

Daher ist es gar nicht so verwunderlich, wenn sich die Opfer erdrückt, schlapp oder antriebslos fühlen oder vielleicht sogar zu Medikamenten- beziehungsweise Drogenmissbrauch, Konsum von Energydrinks oder zu Essstörungen neigen.

Man versucht oft auch unbewusst, den Wasser-Elektrolyt-Haushalt auszugleichen, um eine gewisse emotionale Balance wieder herzustellen. Es sind daher nicht nur die Botenstoffe und die physiologischen Veränderungen im Gehirn, die eine Rolle spielen und deren Imbalance (Unausgewogenheit) und Abnormalität uns zu schaffen machen.

Erwachsene Kinder leiden, noch immer unter den Geheimnissen der Familie – darunter, dass sie die unausgesprochenen Regeln befolgen mussten, darunter, dass man ihre eigenen Bedürfnisse ignorierte und darunter, dass sie vieles tun mussten, von dem die Öffentlichkeit nie die Wahrheit erfahren darf.

Während ihr eigenes Image oft vom Narzissten ruiniert wurde, gab es nichts wichtigeres, als das Ansehen des Narzissten und der Familie zu wahren, solange der Narzisst noch mit ihr assoziiert werden wollte.

Das führt zwangsläufig dazu, dass das erwachsene Kind auch im eigenen Leben noch versucht, sich Zustimmung, Liebe und Beachtung der Eltern und anderer Menschen zu erkämpfen.

Das erwachse Kind hat aber oft auch den Glauben an Gerechtigkeit verloren, oder daran, dass es Erfolg haben kann.,

Dies führt nicht selten dazu, dass es sich im Leben vieles gefallen lässt und sein wirkliches Potential nicht ausschöpft.

Als Kinder waren sie unsichtbar, hatten keine Rechte, bekamen keine Zuneigung und kannten nie wahre Liebe oder Geborgenheit.

Als Erwachsene sind sie ständig wachsam, misstrauisch und glauben oft gar nicht mehr daran, dass es wahre Liebe, Geborgenheit und ein entspanntes Dasein geben kann.

Wenn erwachsene Kinder, die eine so fragile Psyche haben, selbst Kinder bekommen, geschieht eines von zwei Dingen:

– das Opfer ist schon längst selbst zum Narzisst geworden, weil es dies als die praktischste Lösung ansah und somit die Familientradition der Eltern vorsetzt und auch zum Bully wird, der seine eigenen Kinder misshandelt

– oder aber das Opfer geht in die gegensätzliche Richtung, liebt seine eigenen Kinder über alles und tut, was es kann, um mit der destruktiven Tradition zu brechen und alles besser zu machen.

Dies kann auch weitgehend gelingen. Immerhin baut beispielsweise die antiautoritäre Erziehung auf solchen Bemühungen, doch in der Praxis ist es leider auch meistens so, dass der emotionale Rucksack mitgetragen wird und das erwachsene Kind weiterhin darunter so leidet, dass selbst in Familien, wo man ganz bewusst versucht, mit destruktiven Traditionen zu brechen und seinen eigenen Kindern ein viel besseres Leben zu ermöglichen, die Nachfahren immer noch gravierende Nachteile haben.

Dies kann sein, weil die Eltern selbst keinen ungezwungenen Umgang mit dem Alltag und mit sich selbst haben oder auch nur weil keine lieben, vertrauenswürdigen Großeltern da sind, finanzielle Mittel unzulänglich sind, oder eine gewisse Erwartungshaltung auch hier weitergegeben wird.

Skala der abnormalen Behandlung von Kindern

Es aber auch sehr wichtig, dass man daran denkt, dass Narzissmus in einem weit gefächerten Spektrum vorkommt.

Es gibt auf der einen Seite dieses Spektrums Elternteile mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, die lediglich einen gewissen Leistungsdruck auf ihre Kinder ausüben, sie nicht genügend beachten und ihren Bedürfnissen nicht ganz gerecht werden, welche aber dennoch eine recht liebevolle Beziehung pflegen und sich im großen ganzen anständig und verantwortungsbewusst verhalten.

Auf der entgegengesetzten Seite hat man dann die krassen Fälle, wo extreme Vernachlässigung und Misshandlung an der Tagesordnung ist und wo die Eltern ihre Kinder teilweise auch ganz verstoßen.

Wir haben es also mit einer Skala der abnormalen Behandlung von Kindern zu tun, je nach Grad der Dysfuntionalität der Familie und der Ernsthaftigkeit der mentalen Störung der Eltern.

Somit wird sich auch das, was an die nächste Generationen weitergegeben proportional dazu verhalten.

Narzissten sind schlechte Erzieher

Problematisch sind allerdings nicht nur Geheimnisse, Vernachlässigungen und Misshandlungen, unter denen die Kinder narzisstischer Eltern zu leiden haben.

Da der Narzisst keine Grenzen respektiert, wird er nicht nur die Grenzen anderer Menschen (in diesem Falle die seiner Kinder und seines Partners) nicht respektieren und immer wieder überschreiten, er ist ebenfalls unfähig, seinen Kindern sinnvolle Grenzen zu setzen, damit diese beim Erwachsenwerden eine vernünftige Orientierungshilfe haben.

Der Erziehungsstil ist eher impulsiv als überlegt und somit leidet auch die Hierarchie darunter. Die Eltern agieren weder als Vorbilder, noch als liebevolle Erzieher, die dafür auch respektiert werden. Kinder narzisstischer Eltern sind in der Regel zwar überaus loyal, aber nicht aus Zuneigung, sondern lediglich aus Furcht vor Konsequenzen.

In solchen Familien leiten die Eltern nicht; es ist mehr oder weniger ein „nebeneinander-Existieren“. Die Kinder haben keine festen Rollen und Rahmen, innerhalb deren sie sich entfalten können, sie sind lediglich zufälligerweise da, um die Bedürfnisse der Eltern zu befriedigen. Das bedeutet auch: Sie geben mehr als man von ihnen verlangen kann, ohne das zurückzubekommen, was sie zu ihrer Entwicklung dringend bräuchten.

Konsequenzen für die eigene Elternrolle

Daher kann es für die Opfer schwer sein, im eigenen Leben als selbstbewusste Eltern aufzutreten, die ihren Kindern zeigen, wo es lang geht. Viele wollen nicht zu dominant und zu autoritär sein und tun sich daher schwer, die richtige Balance zu finden. Auch fehlt ihnen oftmals die emotionale Stabilität und Wärme, um ihren Kindern ein Aufwachsen in gemütlicher, ungezwungener gemeinsamkeit zu ermöglichen.

Kaum Kontakt zu anderen

Hinzu kommt, dass Kinder von Narzissten nicht nur keine Loyalität von ihren Eltern erfahren, sie erleben auch immer wieder, wie Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Der Narzisst will ja nicht nur keine Zeugen haben, er stellt auch sicher, dass sich keine Allianzen gegen ihn bilden können. Daher spielt er andere gerne gegeneinander aus und stellt sicher, dass Geschwister und andere Verwandten keine so gute Beziehung zu einander haben, dass sie sich je gegen ihn verbünden könnten.

Das bedeutet im Endeffekt, dass der Kontakt zu manchen Familienmitgliedern ganz abgebrochen sein kann. Teilweise wird auch die Existenz von Personen verschwiegen oder zumindest Adressen, Telefonummern und Dokumente unterschlagen. Die Diskreditierungstaktiken des Narzissten tun ihr übriges.

Somit fehlen oftmals auch Ansprechpartner und Familienmitglieder im erwachsene Leben des Opfers. Das Opfer kann seinen eigenen Kindern daher auch nur in einem begrenzenden Masse den Kontakt zur Verwandtschaft ermöglichen, selbst wenn diese keine Narzissten oder Flying Monkeys sind.

Schlechtes Vorbild

Eine weitere Gefahr ist auch, dass das Kind narzisstischer Eltern immer wieder miterlebt, dass Probleme durch Lügen, Leugnen, Üble Nachrede und andere destruktive und unlaute Methoden gelöst werden und dass die anderen alle die Dummen sind, während der narzisstische Elternteil omnipotent erscheint.

Somit besteht die Gefahr, dass das Kind die Denkweise der Eltern unbewusst übernimmt oder zumindest davon indirekt beeinflusst wird. Dies kann zu einem verzerrten Weltbild führen, was es wiederum sehr erschweren kann, Probleme im eigenen, erwachsenen Leben zu erkennen und zu lösen.

Dies kann u. a. die Beziehungen zu anderen Menschen belasten und ökonomischen Fortschritt verhindern.

Viel schlimmer ist allerdings, dass Kinder, welche die verdrehte Denkweise ihrer narzisstischen Eltern unbewusst als Grundlage nehmen, kriminell werden können, da ihre Eltern ihnen ein Leben lang eingeimpft haben, dass alle anderen schlecht sind, die Welt ungerecht ist, und dass der, der sein Schicksal nicht selbst in die Hand nimmt, der Verlierer ist – wobei das Kind stets beobachten konnte, dass dem Narzissten jedes Mittel gerechtfertigt schien, um im Leben zu gewinnen.

Solche Lebenseinstellungen werden oft unbewusst vererbt, genau wie Kommunikationsschwächen.

Kommunikationsschwäche wird vererbt

Narzisstische Eltern haben oft große Probleme, sich zu zutreffend und präzise auszudrücken. Auch ihre Kommunikation ist von Impulsivität geprägt, sie respektieren keine gesellschaftlichen Strukturen und haben keine höflichen Umgangsformen, obgleich sie oft endlose Monologe über selbstbezogene Themen in den Raum schleudern können.

Daher lernen Kinder narzisstischer Eltern auch nicht, wie man richtig miteinander kommuniziert, wie man Konflikte löst oder mit Menschen umgeht.

Schon allein deswegen wird sie ihnen schwer fallen, in der Schule Erfolg zu haben, Freunde zu finden oder im Beruf beziehungsweise Geschäftsleben so erfolgreich zu sein wie nicht belastete Kinder.

Was die nächste Generation dann betrifft, wie soll man etwas weitergeben können, das man selbst nie gelernt hat?

Emotionale Intelligenz

Gefühle sind ebenfalls etwas, womit sich der Narzisst schwer tut. Er verweigert konsequent die ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst und lässt bei seinem Kinder weder Emotionen zu, noch das sie sich mit sich selbst und ihren Gefühlen auseinandersetzen oder gar die Situation analysieren. Denn auch hier droht ihm der Kontrollverlust.

Daher lernen seine Kinder überhaupt nicht, wie man mit Gefühlen umgeht, wie man sich mit sich selbst auseinander setzt und wie man Konflikte gewaltfrei löst.

Dass das Kind überhaupt etwas fühlen kann, ist ihm ein Dorn im Auge, denn er will lediglich Marionetten zur freien Verfügung haben.

Da die Kinder narzisstischer Eltern weder lernen mit Gefühlen umzugehen, noch den Unterschied zwischen wegweisenden, konstruktiven Gefühlen und emotionalen, irrationalen Ausbrüchen lernen, neigen sie unter Umständen dazu, ihre eigenen Gefühle ganz zu unterdrücken. Schließlich sehen sie immer wieder, wie der narzisstische Elternteil zu emotionalen „Outbursts“ (Jähzorn, Tobsuchtsanfälle etc.) neigt und wollen so etwas nicht in ihrem eigenen Leben haben. So ergeht es zumindest den sensiblen Opfern. Andere neigen dann wiederum dazu diesen Elternteil zu kopieren und bieten ihren eigenen Kinder mehr oder weniger die gleichen Konditionen, die sie selbst in der Kindheit hatten.

Fazit

Daher kann man sagen, Kind eines Narzissten zu sein, ist ganz bestimmt kein einfaches Schicksal!

Egal wie bewusst man damit umgeht und wie sehr man sich bemüht, den narzisstischen Familienstammbaum nicht noch weiter zu vererben und den eigenen Kindern zumindest ein akzeptables Leben zu bieten, einfach wird es nie, dazu ist die Belastung einfach zu groß.

Allerdings haben Kinder narzisstischer Eltern auch Vorteile gegenüber Kindern aus unbelasteten Familien.

Haben sie ihr substantielles Trauma einmal so halbwegs überwunden, sind sie oft belastungsfähiger, engagierter wissen, wo es im Leben langgeht und können ihre Kinder somit auch besser beschützen als andere Eltern.

Misshandelte Kinder narzisstischer Eltern sind auch oft die, die sich ganz besonders dafür einsetzen, dass es anderen besser geht und beispielsweise auch auf überregionaler Ebene dafür kämpfen, dass sich vieles zum Besseren wendet und dass neue Erziehungsstil, Unterrichtsmethoden und andere Verbesserungen eingeführt werden, die zukünftigen Generation von großem Nutzen sind.

Eine Artikel-Sammlung mit weiteren Beiträgen über elterlichen Narzissmus findet man hier.

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Disclaimer (Haftungsauschluss) für diesen Artikel

Wichtiger Hinweis für Kinder narzisstischer Eltern und andere misshandelte Kinder, die noch unter 18 sind

 

Bildnachweis:

1. Foto: freestocks.org

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