Elterlichen Narzissmus verstehen: Was sind “dysfunktionale Familien”?

Generelles

Heutzutage wird viel mit dem Begriff Dysfunktionalität umhergeworfen. Doch was genau bedeutet dieses Wort, ganz besonders im Zusammenhang mit narzisstischen Eltern?

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Definitionen

Dysfunktion ist die griechisch-lateinische Bezeichnung für eine Funktionsstörung. Der Begriff wird in verschiedenen Wissenschaften benutzt.

Dysfunktionale Familien sind Haushalte, in denen Konflikte, schlechtes Benehmen, Kindesmisshandlung und oder Verwahrlosung stattfinden.

Kinder, die aus solchen Familien stammen, gehen oft davon aus, dass ein solches Verhalten normal ist.

In der Praxis

Oftmals ist in solchen Familien ein Elternteil derjenige, der das Missbrauchsproblem hat und der andere ist der Coabhängige, der den Missbrauch zumindest teilweise mit ermöglicht.

Nicht selten sieht es so aus, dass der dominante Elternteil das (oder die) Kind(er) in irgendeiner Form missbraucht oder seinem eigenen Missbrauch (beispielsweise einem Suchtproblem) nachgibt/ausübt, während der andere Elternteil nichts dagegen unternimmt.

Entweder oder

In Haushalten, wo die narzisstische Persönlichkeitsstörung eines Elternteils eine Rolle spielt, werden selbst passive Elternteile zu Flying Monkeys, während die Kinder Schäden davontragen, die sie ein Leben lang benachteiligen werden.

Auswirkungen narzisstischer Gewalt

Da narzisstische Gewalt der Eltern in der Regel zu co-abhängigen Kinder führt oder gar dazu, dass diese selbst eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickeln, reden manche (wie beispielsweise Ava Wagner) sogar von einem „narzisstischen Familienstammbaum“, da verbale und nonverbale Gewalt weitergereicht wird. Somit werden auch angeeignete Verhaltensmuster „vererbt“, da diese über Jahre hinweg unter traumatischen Bedingungen erworben wurden. Viele Kinder narzisstischer Eltern sind sich auch gar nicht bewusst, welches Erbe sie in sich tragen und auf welche Art dies weitergereicht wird.

Da aber kaum ein Kind, dass tatsächlich den Launen und Schikanen eines narzisstischen Elternteils ausgesetzt ist, über den Überblick und das Wissen verfügen wird, zu durchschauen, was in seiner Familie abläuft, leiden solche Kinder nicht nur ein Leben lang, ohne dass jemand je ahnt, was ihnen angetan wurde, sie fügen sich auch den ungeschriebenen Familienregeln, was sich auf die eine oder andere Art dann auch wieder auf die nächsten Generationen auswirken wird.

Auswirkungen auf das erwachsene Leben des Opfers

Schauen wir uns jetzt einmal an, wie ein Kind, das auf eine so grausame und hinterhältige Art gequält wurde, sich dann im eigenen Leben verhalten könnte:

Oftmals sind solche Kinder voller unterdrückter Wut. Schließlich haben sie Wahrnehmungen, die ihnen ganz klar anzeigen, was wirklich los ist. Allerdings steht dagegen der alles überschattende Druck des Narzissten, diese völlig zu leugnen und und stattdessen den nicht wahrheitsgemäßen Erklärungen und Rechtfertigungen des Narzissten zu glauben. Tut das Kind es nicht, wird sein Geisteszustand angezweifelt oder gar ganz konkret ausgesprochen „du spinnst“, „du bist wahnsinnig“, „du bildet dir das nur ein“.

Da die Taten des Narzissten auch so unfassbar raffiniert, verdeckt, abscheulich und unverschämt sind, dass sich einem die Haare sträuben, wenn man sieht, was sie tatsächlich tun, hält es auch keiner für möglich, dass so etwas tatsächlich passiert.

Die einzige Möglichkeit ist dann nur, dass das Kind etwas missverstanden haben muss oder selbst Schuld ist. Leider denkt nicht nur die Außenwelt so, sondern auch das Kind selbst. In der Regel gibt es dem Druck dieser Konstellation eher nach und zweifelt sie selbst und seine eigenen Wahrnehmungen und seiner Interpretation dieser an, als dass es die Ungeheuerlichkeiten öffentlich anprangert, sich dagegen wehrt und sich dem Opfersein entzieht.

Das tut das Kind nicht, weil es so schwach oder so dumm ist. Es tut es, weil ihm gar keine andere Möglichkeit verbleibt und somit entwickeln Kinder, die sehr extrem und hinterhältig in die Enge getrieben wurden, dann nicht selten irgendwelche Ticks, Phobien oder andere weniger wünschenswerte Verhaltensweisen, um sich teilweise von den unentwegten Schikanen des Täters (Narzissten) abzugrenzen und teilweise aber auch, weil sie einer so extremen und hinterhältigen Form von psychologischer Tortur ausgesetzt wurden, dass diese Verbrechen so schmerzhaft sind, dass der analytische Teil des Verstandes (das frei zugängliche Bewusstsein) einfach mehr oder weniger ausgeschaltet wird und die Attacken des Peinigers direkt ins Unterbewusstsein gelangen, ohne sortiert und analysiert zu werden.

Im täglichen Leben fühlen sich solche opfer oft unzulänglich, leer und leiden an Ängsten und Depressionen, ohne zu wissen, warum. Denn scheinbar ist ja gar nicht vorgefallen. Das sagt zumindest der Narzisst. Alles ist bestens. Dass es dem kind nicht gut geht, kann nur daran liegen, dass das Kind entweder nicht alle Tassen im Schrank hat oder unfügsam beziehungsweise ungezogen und faul ist.

Wenn erwachsene Kinder, die eine so fragile Psyche haben, selbst Kinder bekommen, geschieht eines von zwei Dingen:

– das Opfer ist schon längst selbst zum Narzisst geworden, weil es dies als die praktischste Lösung ansah und somit die Familientradition der Eltern vorsetzt und auch zum Bully wird, der seine eigenen Kinder misshandelt

– oder aber das Opfer geht in die gegensätzliche Richtung, liebt seine eigenen Kinder über alles und tut, was es kann, um mit der destruktiven Tradition zu brechen und alles besser zu machen.

Dies kann auch weitgehend gelingen. Immerhin baut beispielsweise die antiautoritäre Erziehung auf solchen Bemühungen, doch in der Praxis ist es leider auch meistens so, dass der emotionale Rucksack mitgetragen wird und das erwachsene Kind weiterhin darunter so leidet, dass selbst in Familien, wo man ganz bewusst versucht, mit destruktiven Traditionen zu brechen und seinen eigenen Kindern ein viel besseres Leben zu ermöglichen, die Nachfahren immer noch gravierende Nachteile haben.

Dies kann sein, weil die Eltern selbst keinen ungezwungenen Umgang mit dem Alltag und mit sich selbst haben oder auch nur weil keine lieben, vertrauenswürdigen Großeltern da sind, finanzielle Mittel unzulänglich sind, oder eine gewisse Erwartungshaltung auch hier weitergegeben wird.

Skala der abnormalen Behandlung von Kindern

Es aber auch sehr wichtig, dass man daran denkt, dass Narzissmus in einem weit gefächerten Spektrum vorkommt.

Es gibt auf der einen Seite dieses Spektrums Elternteile mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, die lediglich einen gewissen Leistungsdruck auf ihre Kinder ausüben, sie nicht genügend beachten und ihren Bedürfnissen nicht ganz gerecht werden, welche aber dennoch eine recht liebevolle Beziehung pflegen und sich im großen ganzen anständig und verantwortungsbewusst verhalten.

Auf der entgegengesetzten Seite hat man dann die krassen Fälle, wo extreme Vernachlässigung und Misshandlung an der Tagesordnung ist und wo die Eltern ihre Kinder teilweise auch ganz verstoßen.

Wir haben es also mit einer Skala der abnormalen Behandlung von Kindern zu tun, je nach Grad der Dysfuntionalität der Familie und der Ernsthaftigkeit der mentalen Störung der Eltern.

Somit wird sich auch das, was an die nächste Generationen weitergegeben proportional dazu verhalten.

Fazit

Daher kann man sagen, Kind eines Narzissten zu sein, ist ganz bestimmt kein einfaches Schicksal!

Egal wie bewusst man damit umgeht und wie sehr man sich bemüht, den narzisstischen Familienstammbaum nicht noch weiter zu vererben und den eigenen Kindern zumindest ein akzeptables Leben zu bieten, einfach wird es nie, dazu ist die Belastung einfach zu groß.

Allerdings haben Kinder narzisstischer Eltern auch Vorteile gegenüber Kindern aus unbelasteten Familien.

Haben sie ihr substantielles Trauma einmal so halbwegs überwunden, sind sie oft belastungsfähiger, engagierter wissen, wo es im Leben langgeht und können ihre Kinder somit auch besser beschützen als andere Eltern.

Misshandelte Kinder narzisstischer Eltern sind auch oft die, die sich ganz besonders dafür einsetzen, dass es anderen besser geht und beispielsweise auch auf überregionaler Ebene dafür kämpfen, dass sich vieles zum Besseren wendet und dass neue Erziehungsstil, Unterrichtsmethoden und andere Verbesserungen eingeführt werden, die zukünftigen Generation von großem Nutzen sind.

Weitere Infos und Tipps

Wie Gewalt in der Familie vererbt wird, kann man auch hier lesen:

https://www.gewaltinfo.at/themen/2014_07/vererbte-gewalt.php

Die Expertin Gabriele Oberlinninger aus dem Frauenhaus Wels fragt sich u.a. woher die Verharmlosung und das “Nicht Erkennen” von Gewalt kommen und spricht darüber, welche Bedürfnisse Kinder haben.

Dysfunktionale Familien

Einen guten und sehr ausführlichen Artikel über dysfunktionale Familien kann man (in englischer Sprache) hier finden:

https://en.wikipedia.org/wiki/Dysfunctional_family

Familienaufstellung

Manchen hilft es, wenn sie eine sogenannte Familienaufstellung machen zu lassen, bei der die Relationen (Verhältnisse/Beziehungen) zu den unterschiedlichen Familienmitgliedern offensichtlich werden.

Da andere Personen alle Rollen (auch die eigene) übernehmen, erhält der Betreffende so die Möglichkeit, seine verzwickte Familiensituation als Außenstehender zu betrachten. Auf diese Art wird es oft möglich, zu erkennen, wo eine bestimmte Symptomatik herkommen könnte.

Genaueres kann man hier lesen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Familienaufstellung

Eine Artikel-Sammlung mit weiteren Beiträgen über elterlichen Narzissmus findet man hier.

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Disclaimer (Haftungsauschluss) für diesen Artikel

Wichtiger Hinweis für Kinder narzisstischer Eltern und andere misshandelte Kinder, die noch unter 18 sind

Bildnachweis:

  1. Foto: Pixabay

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